Dienstag, 20. Mai 2014

Marcel Jenni: «Ich glaube fest an den Meistertitel»

Mit 40 Jahren hat Marcel Jenni von den Kloten Flyers noch immer nicht genug. Er setzt sich in seiner vielleicht letzten Eishockeysaison hohe Ziele.

Mit Marcel Jenni sprach die 5 Klasse, Schulhaus Steinlig, Bassersdorf



Marcel, mit den Flyers hast du den Playoff-Final gegen den ZSC glatt in vier Spielen verloren. Man sagt, es daure mindestens drei Wochen, bis so eine Niederlage verarbeitet sei. Wie ist deine aktuelle Gefühlslage?
Die ist eigentlich sehr gut. Es brauchte natürlich Zeit, wir hatten ja das Ziel zu gewinnen. Wenn man das nicht erreicht, ist man enttäuscht. Aber wir haben aus unseren Möglichkeiten trotzdem das Beste gemacht und dürfen stolz sein. Jetzt freue ich mich auf das, was kommen wird. Was Vergangenheit ist, kann ich gut hinter mir lassen.

Mit 40 Jahren sind die meisten Eishockeyspieler pensioniert. Wieso spielst du in diesem Alter noch weiter?
Ich habe eben noch immer Spass am Spielen. Seit drei, vier Jahren denke ich immer, es sei jetzt wohl die letzte Saison, doch ich spiele immer weiter. Und ich habe es bisher nicht bereut. Wenn ich aufs Eis gehen darf, hole ich daraus jene Kraft und Freude, die mich zum Weiterspielen treibt. Spielen ist doch allgemein schön. Wenn man ins Spiel eintauchen kann, gibt das viel, viel Kraft. Und ich hole meine Kraft aus der Freude. Das hatte ich schon als Kind, dann kam eine Zeit, wo es etwas schwieriger war, und ich musste es wieder lernen. Jetzt habe ich wieder Freude am Spielen, und das gibt gute Energien und Power. Man ist wieder motiviert. Das ist der Grund, weshalb ich noch spiele.

Wie hast du dich nach dem vierten verlorenen Finalspiel gegen den ZSC gefühlt?
Ich habe es eigentlich nicht so erwartet, ging davon aus, dass wir noch gewinnen, und glaubte auch ganz fest an eine Wende. Möglichkeiten und Chancen haben wir ja gehabt. Im ersten Moment war ich daher ziemlich leer, habe nichts mehr gefühlt. Daher brauchte es etwas Zeit, bis die Enttäuschung weg war. Jetzt habe ich es aber akzeptiert, und es geht weiter.

Glaubst du, dass du noch einmal Meister werden kannst?
(Lacht laut) Davon gehe ich aus. Ich habe dieses Ziel und glaube weiter fest an den Meistertitel. Das ist auch wichtig für die Motivation. Ziele sind wichtig im Leben. Ich bin überzeugt, dass Kloten den Titel im nächsten Jahr gewinnt. Dann kann ich auch gut aufhören. 

Mit Lugano und in Schweden konntest du schon Meistertitel feiern. Wie ist das, und wie wird da mit der Mannschaft gefeiert?
Der Meistertitel ist das Höchste. Dann sind alle happy, man hat sein Ziel erreicht und ist daher mega zufrieden. Gefeiert wird meistens spontan. Da warten auch all die Fans, die mit dir feiern. Das sind jeweils recht tolle Erlebnisse.

Du könntest von einigen deiner Mitspieler schon fast der Papi sein. Wie fühlt es sich an, der älteste Spieler im Team zu sein?
Das ist eine spezielle Situation. Viele meiner Mitspieler sind recht jung und haben auch andere Interessen als ich. Aber in einer Mannschaft gibt es auch wichtige Sachen, die es zu beachten gilt. Man muss miteinander umgehen können und auch Probleme ansprechen. Da kann ich mich einbringen. Ich habe viel Erfahrung und kann so eingreifen, wenn etwas nicht geht. Mit den Jungen macht es mega Spass, sie sind voller Lebensfreude und Energie, und es hat zum Teil rechte Vögel darunter! Die machen immer wieder «Seich». Für mich ist das cool, ich geniesse es sehr, mit Jüngeren zu spielen. Sie halten mich ebenfalls jung.

Welches war in deiner Spielerkarriere der unangenehmste Moment auf dem Eis?
Oh… (überlegt lange). Der unangenehmste Moment passierte 1995, als ich noch in Lugano spielte. Nach einem Zweikampf an der Bande blieb ein Spieler, er hiess Pat Schafhauser, auf dem Eis liegen. Seit dem ist er gelähmt und kann nicht mehr laufen. Ich weiss noch genau, ich fuhr noch zu ihm. Er sagte mir, er könne seine Beine nicht mehr spüren, das war schlimm. Wenn ich an diesen Augenblick denke, so überfällt mich noch heute ein komisches Gefühl. Das war für mich ein ganz trauriger Moment.

Hattest du schon einmal eine schlimme Verletzung vom Eishockey, und wenn ja, was für eine?
Ich hatte eigentlich immer Glück mit Verletzungen. Zwar erlitt auch ich einmal einen Kreuzbandriss im Knie und musste sieben Monate pausieren. Doch insgesamt bin ich eigentlich ohne weitere schlimme Verletzungen durchgekommen.

Ist es richtig, dass du nach deiner Eishockeykarriere als Trainer arbeiten möchtest? Was reizt dich daran?
Sicher ist noch nichts, aber ich gehe schon davon aus. Es ist mein Ziel, nach Abschluss meiner Spielerkarriere Trainer zu werden. Dies entweder beim Nachwuchs oder dann einmal die ganz Grossen coachen. Mich reizt es, eine Mannschaft zu führen, ihr meine Philosophie zu übertragen. Was muss man machen, um Erfolg zu haben, oder wie geht man miteinander um, das sind Bereiche, die mich extrem interessieren. Und dies im Eishockey, dem Sport, den ich am meisten liebe und bei dem ich auch am meisten Freude habe. Im Eishockey habe ich auch am meisten Erfahrung. Daher sehe ich als Trainer meine Zukunft.

…und bei welcher Mannschaft?
(überlegt lange) Entweder hast du eine gute Mannschaft oder eben eine schwächere. Bei einer schwächeren Mannschaft ist es lässig, weil man etwas erreichen kann, ohne dass es von dir unbedingt erwartet wird. Bei einem guten Team ist die Herausforderung, dass du auch gewinnst, die Möglichkeiten sind hier  vorhanden. Die Erwartungen sind hier aber auch einiges höher. Konkret kann ich aber keinen Club nennen. (Er blickt schelmisch zur Klasse und ergänzt) Die Nationalmannschaft wäre also nicht schlecht.

Wie würdest du deine Fans beschreiben? Was für ein Verhältnis hast du zu ihnen?
Ich habe ein gutes Verhältnis zu den Fans. Ich bin auch froh, dass sie in Kloten so zahlreich zu den Spielen erscheinen.  Ich bin der Meinung, dass Fans sehr wichtig sind für einen Verein. In Kloten sind sie mit viel Herzblut dabei. Sie geben uns bei den Spielen auch zusätzlich noch mehr Kraft.

Im Moment ist in Weissrussland die WM im Gange. Wärst du gerne dabei?
Nein, mit 40 Jahren nicht mehr unbedingt. Früher war ich gerne dabei, jetzt brauche ich nach der Saison etwas mehr Zeit für die Erholung. Jetzt bin ich auch froh, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können. Und nächste Woche beginnt in Kloten bereits wieder das Sommertraining. Es geht bereits Schlag auf Schlag, und im August trainieren wir bereits wieder auf dem Eis. Die WM-Spiele schaue ich mir aber gerne zu Hause an.

Man sagt, du habest in deiner Jugend auch viel Talent als Fussballspieler gehabt. Wieso hast du dich fürs Eishockey entschieden?
Der Grund war die Mutter meines Nachbarn. Diese gab Eiskunstlaufunterricht, und sie nahm mich jeweils mit aufs Eis. Dass daneben geknebelt wurde, passte mir ebenfalls. Als ich mich fürs Eishockey entschieden habe, war Dezember, also die Zeit, in der auch der Spengler-Cup ausgetragen wird. So bin ich beim Eishockey geblieben, obwohl ich auch heute noch gerne Fussball spiele. Hockey ist aber meine grosse Leidenschaft geblieben.

Hast du es irgendwann einmal bereut, dass du dich fürs Profi-Eishockey und nicht für eine Fussballkarriere entschieden hast?
Nein, nie! Ich habe, glaub ich, das Richtige gewählt und bin auch sehr froh darum.

Man sagt dir auch nach, dass du früher eher chaotisch gewesen seist. Wie sieht es denn heute aus?
Ich habe noch immer Bereiche, wo ich chaotisch bin. Doch heute lasse ich mich nicht mehr so stressen. Gewisse Sachen bleiben bei mir wohl immer so, nur kann ich jetzt darüber lachen…

… und diese wären?
Das sind eher administrative Sachen, also zum Beispiel die Post, die man lieber sofort erledigen sollte. Das ganze Organisatorische fällt mir sowieso schwer, auch wenn ich heute nach gewissen Strukturen handle. Dinge abklären wird aber bestimmt nie meine Lieblingsbeschäftigung. Auch wenn man sie mit dem Älterwerden braucht. (grinst)

Zudem haben wir gelesen, dass du früher ein «wilder Kerl» warst. Stimmt das, und wann hast du dein wildes Leben hinter dir gelassen?
Jetzt, mit der Familie, ist es klar, dass anderes wichtig ist. Heute bin ich sehr gerne zu Hause, geniesse die Ruhe, mag auch nicht mehr sehr viele Leute um mich. Das habe ich ja mit der Mannschaft schon sehr viel. So gehe ich nicht mehr so oft in den Ausgang wie früher. (überlegt lange) Als junger Spieler habe ich mein Leben doch sehr intensiv gelebt, jetzt nehme ich es ruhiger.

Die Mitspieler nennen dich «Schöggi». Wie bist du zu diesem Spitznamen gekommen?
Das ist eine ganz alte Geschichte aus der Schulzeit. Der Ursprung ist einfach: Als ich noch jünger war als ihr jetzt, habe ich 20 Franken von meiner Mutter gestohlen und damit einen Riesenkorb voll Schöggeli gekauft und diese meinen Mitschülern verteilt. Aus «der mit der Schoggi» wurde schnell «Schöggi». Der Name blieb, zu Hause wurde ich für die Tat noch bestraft.

Von Sportlern weiss man, dass sie schnelle Autos mögen. Wie ist es bei dir?
Ich habe null Interesse an Autos. Für mich ist ein Auto noch immer zuerst ein Fortbewegungsmittel, ich bin jedes Mal froh, wenn ich genügend Platz habe.

Die Eishockeysaison ist für dich vorbei. Betreibst du auch Sommersportarten?
Eishockeyaner haben natürlich Sommertraining. Dort betreiben wir verschiedene Sportarten, spielen Fussball, Unihockey, gehen in den Wald rennen, machen Krafttraining und anderes mehr. In Sachen Sport komme ich also nicht zu kurz und habe dabei auch immer Spass. Auch wenn stundenlanges Rennen im Wald nicht das Lässigste ist, aber auch das gehört zu unserem Beruf. Sport mache ich allgemein gern, Sport ist eigentlich auch mein Hobby.

Kommst du während der Saison dazu, andere Hobbys auszuüben?
Ich lese sehr gerne, meist Sachbücher. Dazu habe ich zwei Kinder, die mich auf Trab halten. Das ist sehr intensiv, aber es ist auch sehr lässig, mit der Familie etwas zu machen. Ich koche zudem sehr gerne. Oder halte die Wohnung schön, das heisst, ich werkle etwas.

Es gibt Eishockeygames für den Computer. Was hältst du von diesen? Hast du auch schon mal so etwas gespielt?
Früher habe ich viel gespielt, vor allem wenn wir mit der Mannschaft unterwegs waren. Da waren wir viel in Hotels, und da war es cool, mit den Jungs etwas zu gamen. Heute mache ich bei Auswärtsfahrten ebenfalls mit. Ich habe aber gegen die heutigen Jungs keinen Stich.

Gibt es etwas, wovor du Angst hast?
Wenn ihr mich so fragt: Ich lebe sehr gerne und habe deshalb vor dem Tod Angst. Jetzt sterben möchte ich nicht, der Gedanke löst nichts Gutes in mir aus.
In der Schule nerven manchmal die Hausaufgaben. Welche Interviewfrage nervt dich am meisten?
Das sind die allzu privaten Fragen. Bei euch bin ich aber nicht genervt.

Wohin gehst du gerne in die Ferien?
Mit der Familie am liebsten in die Berge, vor allem im Sommer. Dann ist es dort sehr lässig, auch die Kinder geniessen das. Das Meer ist natürlich auch cool, meine Kinder schwimmen sehr gerne.

Was unternimmst du am liebsten mit deinen beiden Kindern?
Am liebsten Sachen, die man im Alltag machen kann. Zuletzt haben wir etwas für das Kinderzimmer zusammengebaut. Das ist cool, und wenn wir nur zusammen wischen müssen.

Nach der Olympia-Bronzemedaille der Schweizer Eishockeyfrauen stellt sich die Frage, ob deine Tochter Johanna nicht auch Eishockey spielen sollte?
Da schauen wir mal. Sie ist zwar erst drei, ist aber schon jetzt am Fahren. Wenn sie Freude hat, Eishockey zu spielen, hat sie meine volle Unterstützung.

Zum Schluss: Was wünschst du dir für die Zukunft deiner Kinder?
Dass sie gesund, glücklich und zufrieden bleiben. Und ihren Weg gehen.

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